Chatkontrolle in der EU: Digitale Überwachung im Namen des Schutzes?

Die geplante EU-Chatkontrolle sorgt für Aufsehen: Was als Kinderschutz gedacht ist, könnte zur Massenüberwachung führen. Wir zeigen, was auf uns zukommt.

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Chatkontrolle in der EU: Digitale Überwachung im Namen des Schutzes?

Chatkontrolle: Stasi 2.0 – nur digital, flächendeckend und legalisiert

 

Ein Gedankenspiel

Stell dir vor, du öffnest dein Smartphone, schreibst eine Nachricht an eine Freundin oder einen Freund – und ohne dass du es merkst, wird der Inhalt noch vor dem Absenden von einer Software durchleuchtet.
Nicht, weil du etwas Illegales getan hast. Sondern weil es bei allen so läuft.

Genau darauf läuft die geplante EU-Chatkontrolle hinaus.

Was die EU mit der Chatkontrolle plant

Die Europäische Kommission hat bereits 2022 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der den Namen „Verordnung zur Prävention und Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern“ trägt. Hinter diesem Titel steckt ein massiver Eingriff in die digitale Kommunikation:

  • Anbieter wie Messenger-Dienste, E-Mail-Provider und Plattformen sollen verpflichtet werden, Bilder, Videos und Links nach bestimmten Missbrauchsmustern zu durchsuchen.
  • Das soll auch bei verschlüsselter Kommunikation funktionieren, indem Inhalte vor der Verschlüsselung auf dem Endgerät analysiert werden (Client-Side-Scanning).
  • Die Überwachung soll automatisch und anlasslos erfolgen – unabhängig davon, ob ein Verdacht besteht.

Der aktuelle Entwurf unterscheidet dabei zwischen Medieninhalten (z. B. Fotos, Videos) und reinen Textnachrichten. Während Medien gescannt werden sollen, wären einfache Textnachrichten vorerst ausgenommen. Kritiker weisen allerdings darauf hin, dass sich solche Grenzen technisch leicht verschieben lassen, sobald die Infrastruktur erst einmal etabliert ist.

 

Warum das jeden betrifft

Offiziell soll das Gesetz Kindesmissbrauch bekämpfen. Das Ziel ist unstrittig. Das gewählte Mittel bedeutet jedoch: Massenhafte Durchleuchtung privater Kommunikation.

  • Kein konkreter Verdacht ist nötig, um Inhalte zu prüfen.
  • Fehlalarme sind bei automatischen Systemen unvermeidlich und würden an Behörden weitergeleitet.
  • Auch Unternehmen wären betroffen, wenn interne Kommunikation über Messaging-Dienste läuft.

Was bisher privat war – ob Urlaubsbilder, Familienchats oder Geschäftsinterna – könnte künftig vor dem Versenden gescannt und gegebenenfalls gemeldet werden.

 

Stasi 2.0 – moderner, unsichtbarer, legaler

Der Vergleich mit der Stasi der DDR mag drastisch klingen, ist aber sachlich begründet:
Statt Briefumschläge zu öffnen oder Telefone abzuhören, soll heute jede digitale Kommunikation maschinell kontrolliert werden.

  • Die Überwachung erfolgt nicht gezielt, sondern flächendeckend.
  • Sie wird automatisiert, nicht manuell.
  • Sie ist unsichtbar für die Betroffenen.
  • Und sie soll über EU-Recht verbindlich für alle Mitgliedstaaten werden.

Politischer Stillstand – aber kein Ende

Eigentlich sollte der Entwurf im Rat der EU am 14. Oktober 2025 abgestimmt werden. Dieser Termin wurde kurzfristig abgesagt.
Mehrere Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, haben signalisiert, dem aktuellen Text nicht zuzustimmen. Damit war klar: Eine Mehrheit wäre nicht zustande gekommen.

Innerhalb der Bundesregierung gab es zuvor unterschiedliche Positionen: Während das Justizressort den Entwurf klar ablehnte, zeigte sich das Innenministerium zunächst zurückhaltender.

Das Vorhaben ist damit nicht gescheitert, aber politisch ausgebremst. Ein neuer Abstimmungstermin wird für Dezember 2025 diskutiert. Parallel laufen Gespräche über mögliche Änderungen am Text.

 

Europäisches Parlament und Gesetzgebungsverfahren

Selbst wenn der Rat zustimmen sollte, wäre das Gesetz noch nicht beschlossen. In der EU folgt auf die Ratsposition ein sogenanntes Trilogverfahren mit Parlament und Kommission.
Dort gibt es bereits deutliche Vorbehalte, insbesondere zum Grundrechtsschutz und zur Vereinbarkeit mit der EU-Grundrechtecharta. Es ist also keineswegs sicher, dass der Entwurf in seiner aktuellen Form eine Mehrheit finden würde.

 

Was Unternehmen beachten sollten

Die Chatkontrolle ist nicht nur ein Bürgerrechtsthema, sondern auch ein Compliance-Problem:

  • Interne Kommunikation kann betroffen sein, wenn sie über Messenger oder Cloud-Dienste läuft.
  • Fehlalarme könnten sensible Informationen in behördliche Systeme bringen.
  • Unternehmen müssten sich auf neue Meldewege und mögliche Prüfpflichten einstellen, ohne Einfluss auf die Scantechnologie zu haben.

Datenschutzbeauftragte und Verantwortliche sollten den politischen Prozess genau beobachten – frühzeitige Vorbereitung ist hier besser als spätes Reagieren.

Fazit: Die Atempause nutzen

Der politische Widerstand hat das Projekt vorerst gestoppt. Das ist ein wichtiger Etappensieg.
Aber die Chatkontrolle ist damit nicht erledigt. Die Infrastruktur, die sie schaffen würde, hätte das Potenzial, das Verhältnis zwischen Bürgern, Unternehmen und Staat grundlegend zu verändern.

📌 Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, genau hinzuschauen, zu informieren und Stellung zu beziehen.
Denn wenn Systeme zur Totalüberwachung einmal eingeführt sind, werden sie selten wieder zurückgebaut.

 

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